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Das Kloster Sayn

Reiffenberg berichtet hier über die Gründung und den Gründer der Abtei Sayn.

Ungefähr die Mitte zwischen den beiden Burgen nimmt das Kloster der Norbertiner[25] ein, das entweder Heinrich [II.], der Vater jenes [Heinrichs (III.) des Großen, über den [ich] oben [berichtet habe], oder Heinrich der Große selbst, der Letzte derer von Nassau-Sayn, gegründet hat.

Brower, der Autor der Trierer Annalen, zog dies allgemein in Zweifel: Er bezeichnet[26] den Vater Heinrich und Eberhard als die Gründerbrüder, und fügt S. 100 hinzu, dass ebenda jenes Zenotaphium[27], das mitten in der Kirche bis zu seiner Zeit zu sehen war und jetzt die Nachkommen an einen anderen Ort gestellt haben, dem Gründer gehöre.

Das Familienregister der Grafen -vgl. das 1632 unter dem Titel „des gründlichen Berichts" herausgegebene Büchlein- versichert, dass der Vater Heinrich[28] bis zum Jahre der gesicherten Gründung 1202  gelebt habe und derselbe gewesen sei, der mit seinem Bruder Eberhard im Jahre 1152 den Trierer Erzbischof Hillin als Lehensherren anerkannt und daraufhin das vorgenannte Kloster gegründet hat.

Damit aber diesem Zusatz, der allein Heinrich die Ehre, das Kloster gegrün­det zu haben, zukommen lässt, eine größere Glaubwürdigkeit zuteil werde, füge ich die Bestätigung der Gründung an:
„Im Namen der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit: Johannes, von Gottes Gnaden Erzbischof der Kirche von Trier, allen Gläubigen Christi, so den gegenwärtigen wie den künftigen, in Ewigkeit [zur Kenntnis:] Folgendes wird zu unseren Zeiten auf Grund klugen Ratschlusses getan und zur Verehrung Gottes segenbringend angeordnet:
Wir setzen als lebendiges, immerwährendes urkundliches Zeugnis fest, auf dass in Zukunft
keine Möglichkeit mehr zu Streit und Meinungsverschiedenheit besteht:
Es soll also für die Gegenwärtigen erklärt werden und es sollen die Zukünftigen wissen, dass Graf Heinrich von Sayn, ein Adelsmann, wegen der Hoffnung auf ewigen Lohn, ein Kloster in dem im Tale [gelegenen Orte Sayn] von Grund auf erbaut hat, das er mit reichlich Grundstücken und Allodien[29] ausgestat­tet hat, und zwar mit
-dem Hof von Weitersburg mit allem Zubehör und Einkünften,
-dem Hof in Urmitz,
-den Gütern in Heimbach,
-den Gütern in dem im Tale gelegenen Orte Sayn, die dem Herrn Arnold Herings gehörten,
-dem Hof in Thür,
-den Gütern in Ahrweiler und in Honingshofen,
-den Weingärten in Bendorf,
-allen Gütern, die früher zur Kapelle Vulle gehörten mit dem Wald auf
  beiden Seiten des Tales bis nach Bürgenthal,
-dem Zehnten in Meinfeldt und
-dem Zehnten in Mettrich.

Mit unserer Zustimmung verband er [Graf Heinrich] die Einwohner sowohl von Burg Sayn als auch im vorgenannten Tal mit dem Kloster, auf dass sie
-ebenda die Taufe, das Begräbnis, die Beichte und alle geistlichen Obliegenheiten wahrnehmen können;
-in weiterer Anerkennung der Mutterkirche in Engers das gebührende Recht und das Sendgericht mit den Angehörigen der Pfarrei beachten;
-weiterhin den Dienst im Zusammenhang mit dem Friedhof, wie sie es von alters her gewohnt sind, wahrnehmen.

Damit dies aber nicht zum Nachteil und zur Last für die Kirche in Engers geschieht, ist das Allod, das vom Grafen selbst für 6 Mark gekauft worden war, derselben Kirche gemäß dem Beschluss kluger Männer als angemessener Ausgleich zugewiesen worden.

Vom Rat der gottesfürchtigen Männer wurde - gemäß deren Beschluss - diesem Schreiben amtlich hinzugefügt, dass dieselbe Kirche für immer das Filiationsrecht und die Gehorsamspflicht gegenüber der Mutterkirche in Steinfeld anerkennt, von der der Konvent vorher ausgegangen ist[30] und von wo aus sich der Glaube in dem vorgenannten Tale verbreitet hat.

Damit aber diese Bestimmung beständig und unversehrt für alle Zeit bleibe, wurde beschlossen, dass diese Urkunde schriftlich festgehalten wird und durch den Schutz unseres Siegels gesichert werde.

Wenn aber einer Streit anfängt, den Frieden und die Eintracht stört und sich anschickt, dieses unser Schutzschreiben zu brechen, dann soll er wissen, dass er den Unwillen des allmächtigen Gottes und die Abspaltung von der Mutter Kirche auf sich gezogen hat und soll spüren, dass er durch den schrecklichen  Bannspruch getroffen ist, bis er wieder zur Vernunft kommt. Damit dieses Schreiben durch noch würdigere Kraft gestärkt werde, hat Kardinal Guido, der die Kirche selbst konsekrierte, kraft seiner Banngewalt diese Urkunde bestätigt und durch Aufdruck seines Siegels bekräftigt.

Wir haben beschlossen, dass Zeugen schriftlich festgehalten werden, deren Namen die folgenden sind:
Bruno, Propst von Bonn, und sein Bruder Gerlach; Konrad, Propst der größeren [Bischofs-]Kirche in Trier, Abt Ehrenfried von Steinfeld, Abt Gewardus von Stonbergh, Abt Reiner von Rommersdorf; Laien und Adlige, Graf Eberhard von Sayn, Graf Heinrich d.J., Graf Godefried von Sponheim, Graf Gerhard von Ara, Graf Adolph von Berg, Burggraf Eberhard von Arburg und sein Bruder Otto, Graf Emich von Leiningen und Graf Irsutus.

Ebenso die Ministerialen des Grafen von Sayn, Burggraf Arnold und sein Sohn Ludwig, Mundschenk Gilbert, Wipert und sein Bruder Giso, Arnold Winckuldorff, Heinrich von Schonrad, Arnold von Walffendorff, Gilbert Rufus; ebenso die Kastellanen von Blanckenberg, Burggraf Theoderich und sein Bruder Heinrich, Ludwig von Menden, Konrad Heppenhecke und sein Sohn Heinrich, Roricus Winendus, Reichwein Sandolff. Ebenso die Herren und Ministerialen von Isen­burg, Gerlach und sein Sohn Gerlach, Heinrich und sein Bruder Eberhard, Burggraf Heinrich, Wetzelo, Damarus und dessen Bruder Heinrich, Theoderich von Horingen. Verhandelt worden ist dies im Jahre 1202 nach der Geburt Christi.“

Auf Grund dieser Gründungsbestätigung, die Eberhard und Heinrich der Jüngere bzw. der Große nur unter den Zeugen erwähnt, wird also genügend zuverlässig festgestellt, dass allein Vater Heinrich das Kloster Sayn gegründet hat. Deshalb kann jener Bericht von Brower nicht Bestand haben, in welchem er, wie ich sagte, hinzufügt, dass man inmitten der Kirche das Grab des Gründers sehe. Die Größe der Gebeine, die man entdeckte, als das Grab geöffnet wurde, ist ja selbst Zeuge dafür, dass es sich offensichtlich um die Überreste eines riesigen Ritters handelt. Dies bestätigt auch augenscheinlich die Abbildung [die Statue] des auf diesem Grabmal erhaben und in langem Gewand dargestellten Grafen mit einer Körpergröße von ungefähr 7 Fuß[31]. Schließlich gibt es auch die sichere Überlieferung, dass der Sohn Heinrich, aber nicht der Vater von riesiger Statur gewesen sei und er deshalb mit dem Beinamen „der Große" bezeichnet wurde.

Man sieht auf diesem Zenotaph zur Rechten ein Kind des Grafen, dessen Kopf er selbst mit der Hand berührt. Die Leute glauben, dass sein Sohn dargestellt wird, dem er bei dem Versuch, ihn hochzuheben, durch den zu starken Druck seiner Hand den Schädel gebrochen und das Kind damit getötet habe.[32]

In der Tat wird bezeugt, dass er einzigartige Kraft besaß.. Sein Schwert [hatte ein Gewicht] von 25 Pfund[33]; es wurde lange auf der Burg Ehrenbreitstein aufbewahrt und wurde dann von Kurfürst Karl Kaspar dem Grafen von Manderscheid und Blankenheim Salentin Ernst geschenkt.

Ein Bild des genannten Grafen [Heinrichs des Großen] wird  im Schloss der Grafschaft Sayn in Altenkirchen aufbewahrt: [Es zeigt Heinrich], der in der einen Hand jenes Schwert, in der anderen einen Rosenkranz[34] hält. Er scheint zu kritisieren, dass man, unter den Einfluss der Reformer [in der Kirche] einen alten Brauch [das Rosenkranzgebet] abgeschafft habe. Das Bild soll aussagen, er [der Rosenkranz] von der Urkirche herrührt oder dass er sogar von den Mohammedanern bewahrt wurde.

1719 ergänzt Reiffenberg die Antiquitates Saynenses von 1684 durch die Skizze und die Anmerkung, dass es eine kleine ältere Kapelle gegeben hat, die beim Bau der größeren Kirche der Mönche mit dieser verbunden wurde. Der kleinere Bau war nun wie ein Seitenschiff des größeren. Er wurde Pfarrkirche genannt, und in ihm standen das Taufbecken und der Nikolausaltar.

Bei dieser Gelegenheit muss aber noch ein besonderer Schatz dieses Klosters erwähnt werden, nämlich der rechte Arm des Heiligen. Apostels Simon. Heinrichs anderer Bruder, Bruno, der bei der Gründungsunterschrift den Titel eines Propstes von Bonn trug und später Erzbischof von Köln [1205-1208] war, hat dem Arm von einem armenischen Bischof empfangen und seinem Bruder geschickt, damit er ihn dem Kloster Sayn zukommen lasse. Da die Trierer Annalen von Trier und Hermann Crombach [1598-1680][35] ausführlicher berichten, hielt ich es nicht den Preis der Mühe wert, hier [bereits Bekanntes] zu wiederholen.

Traurig stimmen muss einen aber der Umstand, dass jener Eifer, der zur Verehrung der Apostel und dieser Reliquien von überall her aus den Nachbarorten, insbesondere aus  dem Maifeld und den oberhalb Bonn am Rhein gelegenen Gauen einst eine riesige Menschenmenge gerade an den Sonntagen  Cantate und Rogate[36]  wallfahren ließ, nun völlig zum Erliegen gekommen ist.


[25] Es handelt sich um dem Prämonstratenerorden, der um 1120 von Norbert von Xanten in Prémontré (lat. Praemonstratum = vorhergezeigt), bei Laon, Nordfrankreich, gegründet wurde.
[26] Brower: Trierer Annalen, Bd. 11, Buch 15, S. 98.
[27] Zenotaph = leeres Grab, das an den Verstorbenen erinnern soll, der an anderer Stelle beigesetzt ist.
[28] Nach der neueren Literatur schlossen Heinrich I. (verst. um 1166) und sein Bruder I. 1152 den Lehensvertrag. Vergl. Joachim Halbekann: Die älteren Grafen von Sayn, Wiesbaden 199, S. 13.
[29] Güter, über die der Eigentümer frei verfügen konnte, ohne durch Lehnsverpflichtungen eingeschränkt zu werden.
[30] Mit dem Konvent sind die 12 Konventualen (Mönche bzw. Chorherren) gemeint, deren es zur Gründung eines Tochterklosters bedurfte. Diese kamen aus dem Konvent des Klosters Steinfeld nach Sayn, um dort das Kloster zu gründen.
[31] Reiffenberg hat offensichtlich die Statue Heinrichs III. nicht gemessen; denn sie ist 2,93 Meter groß und damit wirklich überlebensgroß. Ein Fuß in Kurtrier entsprach ca. 30 Zentimetern. Sieben Fuß wären also 2,10 Meter. Bei der Tieferlegung des Fußbodens der Abteikirche wurde 1989 ein Skelett ausgegraben, das ca. 2 Meter groß war. Die angegebene Körpergröße Heinrichs III. wäre damit nicht als ganz unglaubwürdig zu bezeichnen, aber sie wird nicht durch das Grabmal wiedergegeben.
Reiffenberg irrt hier: Der Rosenkranz stammt nicht aus der Zeit der ersten Christen, sondern wird zum ersten Mal 1085 genannt und noch viel später verbreitet. Die Mohammedaner kannten schon sehr früh eine Gebetsschnur, die Misbaha, die eine eigene Entstehungsgeschichte hat.
[32] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies wahr ist.
[33] Um 1700 entsprach in rheinischen Städten, z.B. in Köln und Mainz, ein damaliges Pfund ca. 470 Gramm.
[34] Im Inventarbuch des Sayner Schlosses in Altenkirchen aus dem Jahre 1750 wird das hier genannte Bild Heinrichs III. auch erwähnt. Der Graf wird hier – wahrscheinlich wegen des Rosenkranzes - „der Große und Fromme“ genannt. Obwohl das Bild Heinrichs III. nicht mehr existiert, kann man wegen des Rosenkranzes sagen, dass es nicht sehr alt war und nicht ausdrücken kann, dass der Graf den Rosenkranz verteidigt hätte.  Das trifft eher auf Reiffenberg selbst zu. Auf dem Grabmal des Ehepaars Reiffenberg in der Abteikirche Sayn (1722) hält die Frau einen Rosenkranz in der Hand. Der Rosenkranz soll dort beweisen, dass sie, die vorher evangelisch war, katholisch geworden ist.
[35] Geschichte über die Heiligen. drei Magierkönige Bd. III, Buch 3, S. 790f.
[36] Am Sonntag Cantate, dem 4. Sonntag nach Ostern, feierte man – wie noch heute – in Sayn die Kirmes. Dieser und der folgende Sonntag (Nachkirmes) waren Höhepunkte der Simonswallfahrt aus der näheren und weiteren Umgebung nach Sayn. Darauf nimmt eine alte Wetterregel, die weithin im Land bekannt war, Bezug: „Es wird nicht eher warm, bis gezeigt wird Simons Arm.“


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