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Das "Burgmannengericht" in Sayn

Ein heutiger Obstgarten war einst der Platz, an dem der Graf von Sayn selbst oder seine Ministerialen Versammlungen und Gerichtssitzungen abhielten; Reiffenberg ist in Verbindung mit einer Skizze dieses Platzes um eine möglichst genaue Deutung seiner früheren Beschaffenheit bemüht.

Das letzte schließlich, was erwähnenswert ist (über den Heidengraben erfolgt nämlich im letzten Kapitel eine Abhandlung), ist ein ungefähr 73 Doppelschritt [= 109,5 m] vom Bachtor [49]entfernter Obstgarten, allgemein genannt „der Herren Bungarth", auch "Hans Conraths Bungarth", hergeleitet vom Namen des noch nicht so lange verstorbenen Verwalters. Dieser Garten wird dort, wo er die „Via Regia“[50] (= die königliche Straße) berührt, bis heute von einer Mauer umgeben. Diese Mauer, die von unterschiedlicher Höhe war, ist teils durch die Kraft des Baches, der oft aus dem Bachbett austritt und die Fundamente unterspült, teils auf Grund ihres Alters schon längst zum großen Teil zusammengebrochen. Beide Seiten aber, die nach 238 Fuß (= 71,4 m] zum Hügel hin (den jetzt Bauern, die ihn von mir gepachtet haben, in einen Garten verwandeln) sich erheben, lassen zwischen dem Gesträuch wilder Hecken kaum die restlichen Spuren der Mauer erkennen, die auf dem Hügel selbst der von Weingärten dicht bewachsene Graben gänzlich verbirgt. Denn dass der Graben auch an dieser Seite durch eine Mauer geschlossen war, möchten wir bezweifeln23. Von der Mauer aber, die diesen Obstgarten vom Weg trennt, führt ein Graben von ungefähr 42 Fuß [= 12,6 m] von der einen zu anderen Seite des Obstgartens bis zum Hügel, den er an der östlichen Seite berührt, bis heute maximal acht [= 2,40 m], mindestens ungefähr sieben Fuß [2,10 m] tief und in seinem oberen Teil 35 Fuß [= 10,50 m] breit; dieser Graben hat die normale Form eines Rechtecks, wie aus dem Grundriss desselben noch genauer hervorgeht.

Den Zweck und die unzweifelhaften Gründe für diesen Graben habe ich nicht [nur] einmal erforscht, [aber bisher] noch nicht gefunden.

Eine alte Überlieferung berichtet nur dies, dass dieser mit dem Asylrecht versehene Platz als sicheres Refugium für Angeklagte galt. Und nichts anderes berichten die Schriften, auf Grund deren nachgewiesen wird, dass die Burg Sayn als Lehen angeboten und empfangen worden ist: Die Grafen pflegten ihre Vasallen und Diener vor Gericht zu rufen und Versammlungen abzuhalten.

In jener von Erzbischof Hillin 1152 gegebenen [Urkunde] liest man nämlich Folgendes: „Wir geben bekannt: Eberhard und seine Frau sowie sein Bruder Heinrich, Grafen von Sayn, sind zu uns und unserer Kirche gekommen und haben eben diese Burg, die Sayn genannt wird, und ebenso den Hof von Sayn mit der Gesamtheit des Zubehörs und der Nutzung dem seligen Petrus und uns, dessen Kirche wir - mögen wir auch unwürdig sein - vorstehen, gegeben. Ausgenommen wurden das Allod, das Rorich gehörte, und jene Fläche, die „Obstgarten“ genannt wird. Auf dieser Fläche konnten die Grafen je nach Bedarf Gerichtstermine festsetzen, um von ihren Ministerialen ihre Rechte ausüben zu lassen. Und dies taten sie einmütig und gemeinsam der rechtmäßigen Benennung wegen4. Bei Balduin ist im Jahre 1340 zu lesen: „Nur dieses Gebiet ist ausgenommen, das allgemein „Obstgarten“ genannt wird, das wir gehalten sind, wie unser Allod zu verwahren, um darin mit unseren Ministerialen und Vasallen Veranstaltungen abzuhalten."

Bei Erzbischof Jakob von Sierck heißt es ist im Jahre 1452: „Ausgescheiden eine Hoffstatt, die der Bongerth genennt ist, vor unser Mantagh daruff zu bescheiden ausbehalten ist."

Daraus kann ich aber kaum die Notwendigkeit oder irgendeinen Gebrauch des Grabens, und zwar des so gestalteten, ermitteln. So wollen wir also davon ausgehen, dass im Gebiet A ein

Gebäude gestanden hat, das u.a. die Bezeichnung 'Hoffstatth' in dem schon gen. Schriftstück zu tragen scheint, oder dass es eher jenes Kennzeichen <gegeben hat>, auf Grund dessen der Ort 'Mallus' oder 'Mannisches Gericht' genannt wurde; und es gab auch entweder einen Stein, einen Baum, einen langen Pfahl oder ein Kreuz mit Schwert. Denn jenes Gericht, das 'das Mannrecht' genannt wurde, wurde unter freiem Himmel veranstaltet unter dem Vorsitz des Burgrichters, der 'der Mannrichter' <genannt wurde>, mit Beisitzern auch aus dem Ritterstand, die 'Manni' ge­nannt wurden, auf dass der Richter  mit zum Himmel erhobenen Augen im Angesichte Gottes ermahnt bzw. jeglicher Verdacht genommen wurde.

Und der Zwischenraum B zwischen dem Graben und der Mauer scheint einen Weg und einen Zugang dorthin ermöglicht zu haben. Teil C des Grabens scheint den Ort des Asyls bezeichnet zu haben. Wozu jedoch der Rest D des Grabens dienen konnte, ist nicht klar, da auf jener Seite die Mauer für eine Begrenzung ausgereicht zu haben scheint.

Ob also das Werk unvollendet bzw. zu welchem Zwecke es so geschaffen wurde, muss ich klügeren Leuten zur Entscheidung überlassen; denn die Worte der alten Autoren scheinen die Notwendigkeit des Grabens auszuschließen, weil die vorgenannten, vom ‚Manlehnrecht' unterschiedenen Gerichtssitzungen „under dem Blawen Himmel, auff offenem freyen feldt, auff einem grünen platz“ abgehalten zu werden pflegten.

Wann aber und mit welchem Recht der Zwischenraum A und E von diesem Obstgarten getrennt wurde (dem die Reste der alten Mauer dies zuschreiben25),  mögen die Besitzer gewusst haben; ich will jetzt gegen niemanden einen Streit anfangen, sondern will in nachbarliche Gefilde wechseln und getreulich ausführen, was ich auch dort an Altertümern gefunden habe.


[49] Also unweit des heute an der Stelle dieses Bachtores, stehenden Schlossturmes., Hier hindurch führte noch bis 1861 der Zugang nach Altsayn.
[50] Von Engers kommend, verlief schon früh am Reiffenberg’schen Burghaus, dem jetzigen Schloss Sayn, vorbei eine Straße (ein Weg) in Richtung Stromberg und Nauort bis Alsbach, wo sie sich mit der von Bendorf aufsteigenden, bei „Steinebrück“) das Brextal überquerenden „Rheinstraße“ vereinigte. (vergl. Hellmuth Gensicke: „Landesgeschichte des Westerwaldes“, Wiesbaden 1958, S. 17
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