Sayn um 1720
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Die älteste Abbildung, die den Ort Sayn ganz zeigt, befindet sich im Schloss des Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg in Bad Berleburg. Das Bild gehört zu einer Reihe von acht Ölgemälden, die Schlösser und Burgen aus den ehemaligen Grafschaften Sayn und Wittgenstein darstellen. a
Bis ins 19. Jahrhundert hinein bestand Sayn fast nur aus dem Bereich zwischen Schloss und Abtei. Wie noch heute wird das Ortsbild beherrscht von der 110 m langen, im zwölften Jahrhundert erbauten Stammburg der Grafen von Sayn auf dem zur Ebene hin auslaufenden Kehrberg.
Der höchste Punkt ist der etwa 20 m hohe Bergfried ①. b
Als das Bild gemalt wurde, waren seit der Zerstörung der Burg durch die Schweden
(1633) etwa 90 Jahre vergangen. Die Außenmauern stehen aber noch. Für den
Betrachter des Bildes liegen rechts (östlich) der Burghof und der Palas, der an die
Ringmauer grenzt. Westlich stehen noch die Wohngebäude mit der Kapelle.
1830 wurde hier zugunsten eines Aussichtsplateaus ein Teil der Ruinen abgetragen;
dazu gehörte die Kapelle. Deren Grundmauern mit dem Dreikonchenchor und einem
bedeutenden Schmuckfußboden aus dem 13. Jahrhundert wurden 1983/84 wieder freigelegt.
Unterhalb der Burg, auf einem schon niedrigeren Bergjoch, erkennt man ein Gebäude mit einem runden Turm ② an seiner äußersten Südseite, das zur Grafenburg gehörte. c
Noch weiter unterhalb liegt die Burg der Freiherren von Stein ③; an der intakten Bedachung wird deutlich, dass sie damals noch bewohnbar war.
Am Fuße des Burgberges, den Eingang zum Ort beherrschend, steht das Reiffenberg’sche Burghaus ④.
Durch Heirat kam es in den Besitz des Freiherren (seit 1790 Grafen)
von Boos-Waldeck, der es 1757 zu einem barocken Landhaus umbaute.
Dieses wiederum ging 1848 in das Eigentum des Fürsten Ludwig zu Sayn-Wittgenstein
über und erhielt durch umfangreiche Umbauten und Neubauten die uns heute
vertraute Gestalt des fürstlichen Schlosses. Man betrat Sayn damals durch einen
Turm ⑤, dessen Tor auf die heutige Abteistraße führte.
Der jetzige Schlossturm steht an dieser Stelle.
Erst 1861 wurde der Zugang zum Ort neben den Turm verlegt.
Die hier beginnende Befestigungsmauer ⑥, vor der der Brexbach fließt,
traf am Ortsende auf die von der Burg herabkommende Mauer.
An der Abteistraße lag vor der Mauer das Wentz’sche Burghaus. Heute ist das Grundstück zugänglich von der Brexstraße und hat die Hausnummer 51. Im Keller des Gebäudes sind noch Teile der alten Mauer erhalten, und 2013 wurden bei Ausbau der Brexstraße auf der Höhe dieses Hauses zum Bach hin
gelegene weitere Mauerreste gefunden. Diese markieren wohl die Ecke, an der beide Mauern sich trafen. Verfolgt man den weiteren Verlauf zur Burg hin, kommt man im Berghang zu
zwei Tortürmen ⑦.
Auf den unteren zu führt, deutlich sichtbar, ein Weg. Die Mauer scheint im unteren Teil des Hanges schon zerstört oder von Pflanzen überwuchert gewesen zu sein. Heute sind fast alle ihre Überreste unter Efeu verborgen. Zwischen Abteistraße und Brexbach sind sie ganz verschwunden. Die Befestigung verlief aber früher bis zum Bach und dann am Bachbett entlang in Richtung Schloss. Die jetzige, viel niedrigere, schmälere Bachmauer wurde wohl im 19. Jahrhundert errichtet. Die dort entlang führende Brexstraße hatte bis 1936 den Namen Bachstraße. Ihren Verlauf kann man nur im vorderen, nahe beim Schloss liegenden Teil erkennen, weil es dort zwei parallele Häuserreihen ⑧ gibt, deren Dreieckgiebel zur Straße schauen. In Richtung Abtei folgt ein größerer Straßenabschnitt, der – wie heute - nur einseitig bebaut ist.
An der Stelle, wo die Mauer durch einen Turm ⑨ unterbrochen wird, befindet sich die breiteste Gasse von Sayn, seit 1936 „Burggasse“, vorher „Marktstraße“, im Volksmund noch heute oft „Off der Lenn“ (Linde) ⑩ genannt. Sie führt wie alle Sayner Gassen zur Abteistraße. Das Gebäude am Ende der Marktstraße links war das Gemeindehaus (heute Lebensmittel Becker). Der kleine, niedrigere Anbau ist die Sebastianskapelle, die in den 1660er-Jahren von der Gemeinde Sayn auf Grund eines Gelübdes nach dem Ende der Pest errichtet wurde. Noch heute werden regelmäßig Gottesdienste gefeiert. Neben der Kapelle stand im 19. und im frühen 20. Jahrhundert der Kirmesbaum. Auf der „Lenn“ standen die Kirmesbuden.
Der Bach kommt aus dem Brextal und betreibt die am Talausgang liegende Abteimühle ⑪, ehe er unter einer Bogenbrücke hindurch und dann an der Abtei vorbeifließt.
Zwischen der Abteigebäuden und dem Abteigarten ⑫ ist er von einer Hecke, dann im Vordergrund rechts vom Berg verdeckt und kommt erst auf der Höhe des Beginns der Ortsbefestigung wieder ins Bild. Der Abteigarten hat der „Kindertagesstätte am Prälatengarten“ (1999) ihren Namen gegeben. Er ist so breit wie das gesamte Ensemble der Klostergebäude und bildet ein Rechteck. Später wurde er um fast das gesamte daneben liegende unbebaute Gelände erweitert.
Die künstlich angelegte Abteistraße hatte 1720 schon den gleichen Verlauf wie jetzt ⑬. Der barocke Garten ist an allen vier Seiten von einer hohen geschnittenen Hecke eingefasst. Er ist durch relativ breite Wege in vier Felder eingeteilt. An dem senkrecht zum Konventgebäude verlaufenden Weg sind geschnittene Nadelgehölze zu erkennen. Man verwendete dafür in der Regel Eiben, gelegentlich auch Fichten. Vermutlich beinhaltete der Garten eine Mischung aus Nutz- und Ziergarten. Darauf deuten
die streifenartigen Strukturen innerhalb der Felder hin. Üblicherweise gab es in solchen Abteigärten kleine Spalierobstbäume, Gemüsebeete und Beete für Blumen, die man zur Ausschmückung der Kirche und der Prälatur verwendete. d
Die Abtei Sayn lag stets außerhalb der Ortsbefestigung. Man gelangte zu ihr wie heute über die genannte Bogenbrücke aus Bruchsteinen und kam zuerst zur „Porta nova“, einem Empfangsgebäude ⑭für Gäste und Pilger. Dieses stand auf dem heute nicht mehr benutzten Teil des Friedhofs neben der Kirche und wurde nach der Aufhebung der Abtei (1803) abgetragen. Die Abteikirche ist an ihrer Westfassade mit dem Haupteingang ⑮ und den Fenstern zu erkennen.
Über der Stelle, an der sich das Langhaus und das Querhaus der Kirche schneiden, steht noch der romanische Vierungsturm ⑯. Er wurde um 1730 abgebrochen und durch den heutigen Kirchturm mit barocker Haube ersetzt. Im rechten Winkel zur Kirche steht das – äußerlich heute fast unveränderte – Konventsgebäude ⑰, das in Sayn noch immer die „gruß‘ Schul“ genannt wird, weil dort von 1824-1980 die Schule untergebracht war. Der anschließende Bau, auch im rechten Winkel stehend, ist das Abtsgebäude, die „Prälatur“ ⑱, das heutige Pfarrhaus. Es ist an seinem geschweiften Knickgiebel, einem Kennzeichen der barocken Baukunst, zu erkennen. Über der Nordfassade, die hier dem Betrachter nicht zugewandt ist, steht geschrieben: „E. C. A. P. 1718“. Das bedeutet, dass der Abt Engelbert Colendal 1718 dieses Gebäude errichten ließ. Die Datierung der ältesten Gesamtdarstellung des Ortes Sayn ist damit gegeben. Sie muss zwischen 1718 und 1730 entstanden sein. e
Die Luftaufnahme aus dem Jahre 2001 f zeigt, dass der alte Ortskern von Sayn über die Jahrhunderte seine Form behalten hat, weil die Topographie des Brextals ihm enge Grenzen auferlegt. Sayn, seit 1928 Stadtteil von Bendorf, hat heute ca. 4700 Einwohner, von denen weniger als ein Fünftel in „Altsayn“ leben.
Dietrich Schabow
„Sayn“ Ölgemälde eines unbekannten Malers, um 1720
(Aufnahme: Ron Allen, Photography, Bad Berleburg)
Altsayn im Luftbild (Herbert Scholz 2001)
Im Vordergrund der Schlosspark. Am fürstlichen Schloss beginnen die Abteistraße (Bildmitte) und die Brexstraße (rechts). / Links der Burgberg: auf der Höhe des Schlosses das Stein’sche Burghaus, darüber die gräfliche Burg. / Abtei Sayn im Hintergrund, davor der ehemalige Abteigarten, der zur Zeit der Aufnahme zu einem Parkplatz und zu Wiesen mit Bäumen umgewandelt wurde. / Der Brexbach fließt, aus dem Tal (links) kommend, am Ortsrand entlang bis zum Schlossturm, von dem an er den Schlossvorplatz unterquert, bis er im Park wieder oberirdisch verläuft.